Die Heilung vom Leiden (Teil 3)

Ich möchte dir eine Geschichte erzählen, die sich vor langer Zeit ereignet hat:

Es lebte einmal ein Reisender, der eine lange Reise machen musste. Zu diesem Zweck spannte er sein Tier vor einen Wagen und machte sich auf den langen Weg zu einem weit entfernten Ziel. Seine Zeit aber war begrenzt. Das Tier nannte er Bedürfnis, den Wagen Verlangen, ein Rad nannte er Vergnügen und das andere Schmerz. So lenkte der Reisende seinen Wagen nach links und nach rechts, behielt dabei aber immer die Richtung auf sein Ziel bei. Je schneller der Wagen fuhr, desto schneller bewegten sich auch die Räder des Vergnügens und des Schmerzes, denn beide waren ja durch dieselbe Achse verbunden und trugen den Wagen des Verlangens. Da die Reise sehr lang war, langweilte sich unser Reisender. So beschloss er, den Wagen zu schmücken, ihn mit vielen hübschen Dingen zu verzieren, was er denn auch tat. Aber je mehr er den Wagen des Verlangens schmückte, desto schwerer wurde er für das Bedürfnis, so dass das arme Tier schließlich von den Kurven und steilen Anhöhen ganz erschöpft war und den Wagen des Verlangens nicht mehr ziehen konnte. Auf den sandigen Wegen versanken die Räder des Vergnügens und des Leidens in den Boden. Eines Tages verzweifelte der Reisende, da der Weg sehr Iang war und sein Ziel noch sehr weit entfernt lag. In dieser Nacht beschloss er, über das Problem nachzusinnen. Und als er das tat, hörte er seinen alten Freund wiehern, und er verstand diese Botschaft. Am nächsten Morgen entfernte er allen Schmuck von dem Wagen, erleichterte ihn von seinem Gewicht und versetzte in der Früh sein Tier in Trab und begann, sich so seinem Ziel zu nähern. Dennoch hatte er bereits Zeit verloren, die nicht mehr aufzuholen war. In der folgenden Nacht sann er wiederum nach und verstand jetzt durch einen erneuten Hinweis seines Freundes, dass er eine doppelt so schwierige Aufgabe vollbringen müsste, da sie nämlich Verzicht bedeutete. Im Morgengrauen opferte er den Wagen des Verlangens. Indem er das tat, verlor er zwar das Rad des Vergnügens, aber mit ihm verlor er auch das Rad des Leidens. Er stieg auf den Rücken des Tieres Bedürfnis und begann, durch die grünen Wiesen zu galoppieren, bis er sein Ziel erreichte.

Beachte, wie dich das Verlangen in die Enge treiben kann. Aber es gibt Verlangen von unterschiedlicher Qualität. Es gibt niedrigere Verlangen und es gibt höhere Verlangen. Erhebe das Verlangen, überwinde das Verlangen, reinige das Verlangen! Damit wirst du zwar gewiss das Rad des Vergnügens opfern müssen, doch gleichzeitig auch das Rad des Leidens.




Foto: Silo in Yala (Nord-Argentinien) 1969 bei einem Versuch, eine Rede zu halten.

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