Anmerkung
der Herausgeber
Die von Silo im Juli 2002 bekannt gegebene Botschaft besteht aus drei Teilen: dem
Buch, der Erfahrung und dem Weg.
Das Buch ist seit geraumer Zeit als “Der Innere Blick” bekannt.
Die Erfahrung wird durch acht Zeremonien vermittelt.
Der Weg ist eine Zusammenstellung von Reflexionen und
Empfehlungen.
Diese
Zusammenstellung enthält die vollständige
Botschaft. Sie ist in gedruckter Form und über die elektronischen Netze im
Umlauf.
© Silo. Zweite Zusammenstellung, 2007
Das Buch
I.
DAS NACHSINNEN
1.
Hier wird
erzählt, wie sich die Sinn-Leere des Lebens in Sinn und Fülle verwandelt.
2.
Hier gibt es Freude, Liebe
zum Körper, zur Natur, zur Menschheit und zum Geist.
3. Hier sagt man sich von den Opfern, den
Schuldgefühlen und den Drohungen des Jenseits los.
4.
Hier stellt
sich das Irdische nicht dem Ewigen entgegen.
5. Hier wird von der inneren
Offenbarung gesprochen, zu der jeder gelangt, der in demütiger Suche sorgfältig
nachsinnt.
II.
BEREITSCHAFT ZUM VERSTÄNDNIS
1.
Ich weiß, wie du dich fühlst, weil ich deinen Zustand
erleben kann, aber du weißt nicht, wie man das, was ich sage, erlebt. Wenn ich
daher ohne jegliches Eigeninteresse über das spreche, was den Menschen
glücklich und frei macht, so lohnt sich die Mühe, dass du zu verstehen
versuchst.
2. Denke nicht, dass du
verstehen wirst, indem du mit mir diskutierst. Wenn du glaubst, dass dein
Verständnis sich schärft, indem du widersprichst, so kannst du das tun. In
diesem Fall ist das aber nicht der angebrachte Weg.
3. Wenn du mich fragst, welche
Haltung die angemessene sei, werde ich antworten, die angemessene Haltung ist, tief
und ohne Hast über das nachzusinnen, was ich dir hier erkläre.
4. Wenn du
entgegnest, du habest dich mit dringenderen Dingen zu beschäftigen, werde ich
antworten, dass ich dich nicht daran hindern werde, da du lieber schlafen oder
sterben willst.
5. Wende auch nicht ein, dass
du die Art, wie ich die Dinge darstelle, nicht magst. Du lehnst ja auch nicht die Schale
ab, wenn dir die Frucht schmeckt.
6. Ich spreche so über die
Dinge, wie es mir angemessen erscheint und nicht wie es von jenen gewünscht
wird, die nach Dingen streben, die fern der inneren Wahrheit sind.
III.
DIE SINN-LEERE
Nach vielen Tagen entdeckte ich diesen großen Widersinn: Diejenigen, die
das Scheitern in ihren Herzen trugen, konnten den letzten Sieg erringen;
diejenigen, die sich als Sieger fühlten, blieben wie Pflanzen, die ein diffuses
und dumpfes Dasein führen, auf dem Weg zurück. Nach vielen Tagen stieg ich aus
tiefster Dunkelheit zum Licht empor – nicht durch Lehren geführt, sondern durch
Nachsinnen.
So
sagte ich mir am ersten Tag:
1.
Es gibt keinen Sinn im
Leben, wenn alles mit dem Tod endet.
2. Jede Rechtfertigung von
Handlungen, ob es sich nun um verachtenswerte oder hervorragende handelt, ist
immer ein neuer Traum, dem die Leere folgt.
3.
Gott ist etwas Ungewisses.
4.
Der Glaube ist ebenso
unbeständig wie die Vernunft und die Träume.
5. Über das, “was man tun
soll”, kann man endlos streiten, aber letztlich bleiben alle Erklärungen
haltlos.
6.
“Die Verantwortung”
desjenigen, der sich zu etwas verpflichtet, ist nicht größer als die
Verantwortung dessen, der sich nicht verpflichtet.
7.
Ich handle auf Grund meiner
Interessen, und das macht mich nicht zu einem Feigling aber auch nicht zu einem
Helden.
8.
Weder
rechtfertigen “meine Interessen” etwas, noch entwerten sie etwas.
9.
“Meine Gründe” sind weder
besser noch schlechter als die Gründe anderer.
10.
Grausamkeit entsetzt mich; und doch ist sie
deshalb in sich selbst weder schlechter noch besser als Güte.
11.
Was ich oder andere heute sagen, gilt morgen
nicht mehr.
12.
Zu sterben ist nicht besser als zu leben oder
niemals geboren worden zu sein, aber es ist auch nicht schlechter.
13.
Nicht durch Lehren, sondern durch Erfahrung
und Nachsinnen erkannte ich, dass es keinen Sinn im Leben gibt, wenn alles mit
dem Tod endet.
IV.
DIE ABHÄNGIGKEIT
Der
zweite Tag.
1.
Alles was ich tue, fühle
und denke, ist nicht von mir abhängig.
2. Ich bin wandelbar und
abhängig von der Wirkung der Umgebung. Wenn ich die Umgebung oder mein “Ich”
verändern möchte, so ist es letztlich die Umgebung, die mich verändert. Ich mag
die Stadt oder die Natur suchen, die soziale Befreiung oder einen neuen Kampf, der mein Dasein rechtfertigt… In all diesen Fällen bringt mich die Umgebung
dazu, mich für diese oder jene Haltung zu entscheiden. Also sind es meine
Interessen und die Umgebung, die mich in ebendiese Situation versetzen.
3. Dann sage ich mir, dass es
keine Rolle spielt, wer oder was entscheidet. Bei diesen Gelegenheiten sage ich
mir, dass ich leben muss, weil ich nun einmal am Leben bin. All das sage ich
mir, ohne dass es durch irgendetwas gerechtfertigt wäre. Ich kann mich
entscheiden, zögern oder verharren. Jedenfalls ist das eine nur vorläufig besser
als das andere, aber endgültig gibt es kein “besser” oder “schlechter”.
4.
Wenn man mir sagt, dass
jemand, der nicht isst, stirbt, werde ich antworten, dass dies in der Tat so ist,
und dass er durch seine Bedürfnisse zum Essen gezwungen wird. Aber ich werde
dem nicht hinzufügen, dass sein Kampf ums Essen sein Dasein rechtfertigt.
Ebenso wenig werde ich sagen, dies sei schlecht. Ich werde einfach sagen, dass
es sich um etwas handelt, dass individuell oder kollektiv für den Lebenserhalt
notwendig ist, das aber in dem Augenblick sinnlos ist, in dem man die letzte
Schlacht verliert.
5.
Ich werde außerdem sagen,
dass ich mich mit dem Kampf der Armen, Ausgebeuteten und Verfolgten
solidarisiere. Ich werde sagen, dass ich mich durch die Identifikation mit
diesem Kampf “verwirklicht” fühle, aber ich verstehe, dass ich dadurch nichts
rechtfertigen kann.
V.
AHNUNG DES SINNES
Der
dritte Tag.
1.
Manchmal habe ich
Ereignisse, die später eingetroffen sind, vorausgesehen.
2.
Manchmal habe ich einen
fernen Gedanken aufgefangen.
3.
Manchmal habe ich Orte
beschrieben, die ich nie besucht habe.
4.
Manchmal habe ich genau
beschrieben, was in meiner Abwesenheit geschehen war.
5.
Manchmal
hat mich eine unermessliche Freude überwältigt.
6.
Manchmal
überkam mich ein umfassendes Verstehen.
7.
Manchmal hat mich ein
vollkommener Einklang mit allem in Verzückung versetzt.
8. Manchmal habe ich meine
Träumereien zerschlagen und die Wirklichkeit auf eine neue Art wahrgenommen.
9. Manchmal habe ich etwas,
das ich zum ersten Mal sah, als schon Gesehenes wiedererkannt.
… All
dies brachte mich zum Nachdenken. Ich weiß sehr wohl, dass ich ohne diese
Erfahrungen niemals aus der Sinn-Leere herausgefunden hätte.
VI.
TRAUM UND ERWACHEN
Der
vierte Tag.
1.
Was ich in meinen Träumen
sehe, kann ich nicht als wirklich annehmen; auch nicht das, was ich im
Halbschlaf sehe und ebenso wenig, was ich im Wachzustand, aber tagträumend,
sehe.
2. Als wirklich kann ich das
annehmen, was ich im Wachzustand ohne Tagträume sehe. Hiermit ist nicht das
gemeint, was meine Sinne registrieren, sondern die Tätigkeiten meines Geistes,
die sich auf gedanklich verarbeitete “Informationen” beziehen. Denn die
“Informationen”, die durch die äußeren und inneren Sinne sowie durch das
Gedächtnis übermittelt werden, sind naiv und zweifelhaft. Fest steht, dass mein
Geist dies weiß, wenn er wach ist, und ihnen glaubt, wenn er schläft. Nur
selten nehme ich die Wirklichkeit auf eine neue Art wahr, und dann begreife
ich, dass das unter normalen Umständen Gesehene dem Schlaf oder dem Halbschlaf
ähnelt.
Es
gibt eine wirkliche Art wach zu sein: Die nämlich, die mir den Anstoß gab, über
all das bisher Gesagte tief nachzusinnen. Sie hat mir außerdem die Tür
geöffnet, den Sinn alles Existierenden zu entdecken.
VII.
GEGENWART DER KRAFT
Der
fünfte Tag.
1.
Wenn ich wirklich wach war,
stieg ich von Erkenntnis zu Erkenntnis empor.
2. Wenn ich wirklich wach war,
mir aber die Stärke fehlte, meinen Aufstieg fortzusetzen, konnte ich die Kraft
aus mir selbst schöpfen. Mein ganzer Körper war von ihr erfüllt. Die ganze Energie
war bis in die kleinsten Zellen meines Körpers gegenwärtig. Diese Energie
zirkulierte und war schneller und stärker als das Blut.
3. Ich entdeckte, dass sich
die Energie in den Körperstellen konzentrierte, die gerade aktiv waren, und
dass sie abwesend war, wenn sie inaktiv blieben.
4. Bei Krankheiten fehlte oder
aber konzentrierte sich die Energie genau in den angegriffenen Körperstellen.
Wenn es mir jedoch gelang, den normalen Energiefluss wiederherzustellen,
begannen viele Krankheiten wieder abzuklingen.
Einige Völker wussten dies und konnten durch verschiedene Verfahrensweisen,
die uns heute fremd sind, den Energiefluss wiederherstellen.
Einige
Völker wussten dies und waren in der Lage, diese Energie anderen Menschen
weiterzugeben. Dadurch wurden “Erleuchtungen” im Verständnis, ja selbst
körperliche “Wunder” bewirkt.
VIII.
KONTROLLE DER KRAFT
Der
sechste Tag.
1. Es gibt einen Weg, die den Körper durchströmende Kraft zu lenken und zu
konzentrieren.
2. Im Körper gibt es Kontrollpunkte, von denen das abhängt, was wir als
Bewegung, Gefühl und Gedanken kennen. Wenn die Energie in diesen Punkten wirkt,
entstehen die motorischen, emotionalen und intellektuellen Äußerungen.
3. Je nachdem, ob die Energie mehr im Inneren des Körpers oder mehr an seiner
Oberfläche wirkt, kommt es zum Tiefschlaf, zum Halbschlaf oder zum
Wachzustand... Ohne Zweifel weisen die dargestellten Heiligenscheine auf
religiösen Bildern, die den Körper oder den Kopf der Heiligen (oder der großen
Erweckten) umgeben, auf diese Erscheinungsform der Energie hin, die sich
gelegentlich äußerlicher zeigt.
4. Es gibt einen Kontrollpunkt des Wahren-Wach-Seins, und es gibt eine Form,
die Kraft dorthin zu lenken.
5. Wird die Energie an diesen Ort gelenkt, bewegen sich alle anderen
Kontrollpunkte auf eine veränderte Art und Weise.
Als
ich das verstanden hatte und die Kraft zu diesem höheren Punkt lenkte, erlebte
mein Körper die Wucht einer ungeheuren Energie, die mein Bewusstsein
erschütterte, und ich stieg von Erkenntnis zu Erkenntnis empor. Gleichzeitig
beobachtete ich jedoch, dass ich auch in die Tiefen des Geistes hinabsteigen
konnte, wenn ich die Kontrolle über die Energie verlor. Als ich die
Trennungslinie zwischen beiden Geisteszuständen sah, erinnerte mich an die
Legenden über “Himmel” und “Höllen”.
IX.
MANIFESTATIONEN DER ENERGIE
Der
siebte Tag.
1. Diese zirkulierende Energie
konnte sich vom Körper “unabhängig” machen, aber trotzdem dabei ihre Einheit
behalten.
2. Diese vereinte Energie war
eine Art “Doppelkörper”, der dem koenästhetischen Abbild des eigenen Körpers im
Inneren des Vorstellungsraumes entsprach. Die Existenz dieses Raumes sowie die
Vorstellungen, die den inneren Empfindungen des Körpers entsprechen, wurden von
den Wissenschaften, die sich mit den geistigen Phänomenen beschäftigten, nicht
ausreichend zur Kenntnis genommen.
3. Ob sich diese “verdoppelte”
(das heißt. als “außerhalb” des Körpers oder von ihrer materiellen Basis
“getrennt” vorgestellte) Energie als Bild auflöste oder sich richtig
darstellte, hing von der inneren Einheit dessen ab, der diesen Vorgang
durchführte.
4. Ich konnte feststellen,
dass die “Veräußerlichung” dieser Energie, die den eigenen Körpers als
“außerhalb” des Körpers darstellte, schon von den untersten Ebenen des Geistes
an stattfand. In diesen Fällen hatte ein Angriff auf die grundlegendste Einheit
des Lebens diese Antwort zum Schutz des Bedrohten bewirkt. So ist es zu
erklären, dass bei einigen Medien, die sich während des Trancezustandes auf
einer niedrigen Bewusstseinsebene befanden und deren innere Einheit gefährdet
war, diese Antworten unfreiwillig entstanden und dann nicht als selbst erzeugt
erkannt, sondern stattdessen anderen Wesenheiten zugeschrieben wurden.
Die “Gespenster” oder “Geister” mancher Völker oder Hellseher waren nichts
anderes als die eigenen “Doppelkörper” (die eigenen Vorstellungen) derjenigen,
die sich von jenen besessen fühlten. Da ihr Geisteszustand getrübt (in Trance) war, und weil sie die Kontrolle
über die Kraft verloren hatten, fühlten sie sich von fremden Wesen gelenkt, die
zuweilen bemerkenswerte Phänomene hervorriefen. Zweifellos litten viele
“besessene” Menschen unter derartigen Auswirkungen. Das Entscheidende war
demnach die Kontrolle der Kraft.
Diese
Erkenntnis veränderte sowohl meine Auffassung vom jetzigen Leben als auch vom
Leben nach dem Tode völlig. Durch diese Gedanken und Erfahrungen begann ich,
den Glauben an den Tod zu verlieren. Seitdem glaube ich an ihn ebenso wenig wie
an die Sinn-Leere des Lebens.
X.
GEWISSHEIT DES SINNES
Der
achte Tag.
1.
Die wirkliche Bedeutung
eines wachen Lebens wurde mir offenkundig.
2.
Die wirkliche Bedeutung,
die inneren Widersprüche zu zerstören, überzeugte mich.
3. Die wirkliche Bedeutung,
die Kraft zu kontrollieren, um Einheit und Beständigkeit zu erreichen, erfüllte
mich mit freudigem Sinn.
XI.
DAS LEUCHTENDE ZENTRUM
Der
neunte Tag.
1.
In der Kraft war das
“Licht”, das aus einem “Zentrum” kam.
2. Mit der Auflösung der
Energie ging eine Entfernung von diesem Zentrum einher, mit ihrer Vereinigung
und Entwicklung setzte sich das leuchtende Zentrum entsprechend in Gang.
Es überraschte mich nicht, bei älteren Völkern eine Verehrung des
Sonnengottes zu finden, und ich verstand, dass einige dieses Gestirn anbeteten,
weil es der Erde und der Natur Leben gab, während andere in diesem
majestätischen Körper das Symbol für eine höhere Wirklichkeit erkannten.
Andere
gingen noch weiter und empfingen aus diesem Zentrum unzählige Gaben, die
zuweilen als Feuerzungen auf die Inspirierten “herabkamen”. Andere Male waren
es leuchtende Kugeln oder brennende Dornbüsche, die sich dem furchtsamen
Gläubigen zeigten.
XII.
DIE ENTDECKUNGEN
Der zehnte Tag.
Ich
machte zwar wenige, aber dennoch wichtige Entdeckungen, die ich wie folgt
zusammenfasse:
1.
Die Kraft zirkuliert im
Körper ohne willentliche Steuerung, sie kann aber durch bewusste Anstrengung
gelenkt werden. Wenn ein gezielter Wandel in der Bewusstseinsebene erreicht
wird, erhält der Mensch ein wichtiges Anzeichen für die Befreiung von den
“natürlichen” Bedingungen, die sich scheinbar dem Bewusstsein aufdrängen.
2.
Im Körper gibt es
Kontrollpunkte für seine verschiedenartigen Tätigkeiten.
3. Es gibt Unterschiede
zwischen dem Zustand des Wahren-Wachseins und anderen Bewusstseinsebenen.
4.
Es ist möglich, die Kraft
zum Punkt des wirklichen Erwachens zu lenken (wobei “Kraft” als die geistige
Energie, die bestimmte Bilder begleitet, und “Punkt” als Lage eines Bildes an
einem “Ort” des Vorstellungsraumes? zu verstehen ist).
Diese
Schlussfolgerungen ließen mich in den Gebeten alter Völker den Keim einer
großen Wahrheit erkennen, die durch Riten und äußere Praktiken verdunkelt
wurde. Dadurch gelang es ihnen nicht, die innere Arbeit zu entwickeln, welche – in ihrer vollkommenen Ausführung – den
Menschen in Kontakt mit seiner leuchtenden Quelle bringt. Schließlich bemerkte
ich, dass meine “Entdeckungen” gar keine solchen waren, sondern auf die innere
Offenbarung zurückzuführen sind, zu der jeder Mensch gelangt, der frei von
Widersprüchen das Licht in seinem eigenen Herzen sucht.
XIII.
DIE GRUNDSÄTZE
Unsere Einstellung zum Leben und zu den Dingen verändert sich, wenn uns die
innere Offenbarung wie ein Blitz trifft.
Wenn du den einzelnen Schritten langsam folgst und dabei sorgfältig über
das nachsinnst, was gesagt wurde und was noch zu sagen bleibt, kannst du die
Sinn-Leere in Sinn verwandeln. Es ist nicht gleichgültig, was du mit deinem
Leben machst. Dein Leben, das Gesetzmäßigkeiten unterliegt, steht
vor
verschiedenen Möglichkeiten, unter denen du wählen kannst. Ich spreche zu dir
nicht von Freiheit, sondern ich spreche zu dir von Befreiung, von Bewegung und
Prozess. Ich spreche zu dir von Freiheit nicht als etwas Unbeweglichem, sondern
davon, sich selbst Schritt für Schritt zu befreien – so wie sich jemand, der
sich seiner Stadt nähert, vom bereits zurückgelegten Weg befreit. “Was man tun
soll” hängt dann nicht mehr von einer fernen, unverständlichen und überkommenen
Moral ab, sondern von Gesetzmäßigkeiten: Gesetzen des Lebens, des Lichtes und
der Entwicklung.
Hier
sind die so genannten “Grundsätze”, die bei der Suche nach der inneren Einheit
helfen können:
1.
Wenn man sich der
Entwicklung der Dinge entgegenstellt, geht man gegen sich selbst vor.
2.
Wenn du etwas zu erzwingen
versuchst, so erzeugst du das Gegenteil.
3. Widersetze dich nicht einer
großen Kraft. Weiche zurück, bis sie schwächer wird, dann aber gehe mit
Entschlossenheit voran.
4.
Es ist gut, wenn die Dinge
zusammen und nicht vereinzelt wirken.
5. Wenn für dich Tag und
Nacht, Sommer und Winter gleich gut sind, hast du die Widersprüche überwunden.
6. Wenn du dem Vergnügen
nachjagst, fesselst du dich ans Leiden. Solange du jedoch deiner Gesundheit
nicht schadest, genieße unbefangen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.
7. Wenn du einem Ziel
nachjagst, machst du dich unfrei. Wenn du allem, was du tust, so nachgehst, als
sei es ein Ziel in sich selbst, befreist du dich.
8.
Deine Konflikte werden dann
verschwinden, wenn du sie aus ihrem letzten Grund heraus verstehst, und nicht
wenn du sie lösen willst.
9. Wenn du den anderen
schadest, bleibst du unfrei. Solange du aber anderen nicht schadest, kannst du
in Freiheit tun, was immer du magst.
10.
Wenn du andere so
behandelst, wie du selbst behandelt werden möchtest, befreist du dich.
11.
Es kommt nicht darauf an,
auf welche Seite dich die Ereignisse gestellt haben. Wichtig ist für dich, zu
begreifen, dass du selbst keine Seite gewählt hast.
12.
Die widersprüchlichen oder
einheitlichen Handlungen sammeln sich in dir. Wenn du deine Handlungen innerer
Einheit wiederholst, kann dich nichts mehr aufhalten.
Du wirst wie eine Naturgewalt sein, die auf ihrem Weg auf keinen Widerstand
trifft. Lerne zu unterscheiden, dass eine Schwierigkeit, ein Problem oder ein
Hindernis nicht dasselbe sind wie innerer Widerspruch. Während die einen dich
bewegen oder gar anspornen, lähmen dich die anderen und halten dich in einem
Teufelskreis gefangen.
Wann
immer du eine große Kraft, Freude und Güte in deinem Herzen empfindest oder
wann immer du dich frei und ohne Widersprüche fühlst, danke sogleich in deinem
Inneren dafür. Wann immer dir das Gegenteil widerfährt, dann bitte
vertrauensvoll und jene Dankbarkeit, die du in dir angesammelt hast, wird zu
deinem Wohle verwandelt und verstärkt zurückkommen.
XIV.
DIE FÜHRUNG AUF DEM INNEREN WEG
Wenn du das bis hierhin Dargelegte verstanden hast, kannst du durch eine
einfache Übung die Manifestation der Kraft erleben. Nun ist es aber nicht dasselbe,
ob du eine mehr oder weniger richtige geistige Haltung einnimmst (so als ob es
sich um eine technische Aufgabe handeln würde) oder ob du eine bestimmte
Grundstimmung und eine ähnlich wie von einem Gedicht inspirierte gefühlsmäßige
Öffnung einnimmst. Deshalb erleichtert die zur Vermittlung dieser Wahrheiten
verwendete Sprache diese Haltung, welche leichter zur Gegenwart der inneren
Wahrnehmung führt und nicht etwa zu einer Idee von der „inneren Wahrnehmung”.
Nun folge aufmerksam dem, was ich dir erklären werde, denn hier geht es um
die innere Landschaft, der du bei deiner Arbeit mit der Kraft begegnen kannst,
sowie um die Richtungen, in die du deine geistigen Schritte lenken kannst:
“Du kannst auf dem inneren Weg dunkel oder leuchtend wandeln. Achte auf die
zwei Wege, die sich vor dir öffnen.
Wenn du zulässt, dass sich dein Wesen in dunkle Regionen stürzt, gewinnt
dein Körper den Kampf und übernimmt die Herrschaft. Dann werden Empfindungen
und Erscheinungsbilder von Geistern, von Kräften und von Erinnerungen in dir aufsteigen.
Auf diesem Weg sinkt man immer tiefer und tiefer hinab. Dort befinden sich der
Hass, die Rache, die Entfremdung, die Besitzgier, die Eifersucht und der Wunsch
zum Verweilen. Wenn du noch tiefer hinabsteigst, werden die Enttäuschung, das
Ressentiment und all jene Wunschträume und Begierden von dir Besitz ergreifen,
die der Menschheit Verderben und Tod gebracht haben.
Wenn du dein Wesen aber in eine lichtvolle Richtung lenkst, so wirst du bei
jedem deiner Schritte Widerstand und Müdigkeit spüren. Für diese Müdigkeit beim
Aufstieg gibt es Schuldige. Die Last deines Lebens, die Last deiner
Erinnerungen wiegen schwer und deine früheren Handlungen behindern deinen
Aufstieg. Dieser Aufstieg wird erschwert durch den Einfluss deines Körpers, der
die Herrschaft zu übernehmen sucht.
Auf dem Wege des Aufstiegs wirst du fremde Regionen voll reiner Farben und
unbekannter Klänge vorfinden.
Fliehe nicht vor der Reinigung, die wie Feuer wirkt und dich mit ihren
Trugbildern schreckt.
Weise das Erschrecken und die Entmutigung zurück.
Weise das Verlangen, in untere und dunkle Regionen fliehen zu wollen,
zurück.
Weise die Anhänglichkeit an die Erinnerungen zurück.
Bleibe innerlich frei, gleichgültig gegenüber der Täuschung der Landschaft,
mit Entschlossenheit beim Aufstieg.
Das
reine Licht erstrahlt über den Gipfeln der großen Gebirgsketten und unter unerkennbaren
Melodien fließen die Gewässer der tausend Farben zu den kristallenen Hochebenen
und Wiesen herab.
Fürchte nicht den Druck des Lichts, der dich immer stärker aus seiner Mitte
drängt. Nimm es in dich auf, als ob es eine Flüssigkeit oder ein Wind wäre.
Denn im Licht ist wahrhaftig das Leben.
Wenn du auf der großen Gebirgskette zu der verborgenen Stadt gelangst,
musst du den Eingang kennen. Aber du wirst das in dem Moment wissen, da dein
Leben gewandelt ist. Die gewaltigen Mauern der Stadt sind in Gebilden geschrieben,
sie sind in Farben geschrieben, sie sind “empfunden”. In dieser Stadt ist das,
was getan, und das, was zu tun ist, aufbewahrt… Aber für dein inneres Auge bleibt
das Durchsichtige undurchsichtig. Ja, für dich sind die Mauern undurchdringbar!
Nimm die Kraft aus der verborgenen Stadt. Kehre zurück in die Welt des
dicht gedrängten Lebens mit deiner leuchtenden Stirn und deinen leuchtenden
Händen.”
XV.
DIE ERFAHRUNG DER RUHE UND DAS DURCHSTRÖMEN DER KRAFT
1. Entspanne vollkommen deinen
Körper und beruhige deinen Geist. Dann stelle dir eine durchsichtige und
leuchtende Kugel vor, die zu dir herabsinkt, bis sie schließlich in deinem
Herzen zur Ruhe kommt. Sogleich wirst du erkennen, dass die Kugel nicht mehr
als Bild erscheint, sondern sich in eine Empfindung innerhalb der Brust
verwandelt.
2. Beobachte, wie sich die
Empfindung der Kugel langsam von deinem Herzen zum Äußeren deines Körpers hin ausdehnt,
während gleichzeitig deine Atmung freier und tiefer wird. Wenn die Empfindung
die Begrenzung deines Körpers erreicht, kannst du den Vorgang anhalten und die
Erfahrung innerer Ruhe empfinden. In diesem Zustand kannst du so lange
verweilen, wie du es für gut erachtest. Danach nehme die vorherige Ausdehnung
wieder zurück (wobei du wie am Anfang erneut zum Herzen gelangst), um so deine
Kugel von dir abzulösen und die Übung ruhig und gestärkt zu beenden. Diese
Arbeit wird “Erfahrung der Ruhe” genannt.
3. Wenn du jedoch das Durchströmen
der Kraft erfahren möchtest, solltest du die Ausdehnung, anstatt sie
zurückzunehmen, weiter steigern. Folge ihr dabei mit deinen Gefühlen und deinem
ganzen Wesen. Versuche dabei deiner Atmung keine Beachtung zu schenken; lass
sie von selbst wirken, während du mit der Ausdehnung außerhalb deines Körpers
fortfährst.
4.
Lass mich wiederholen:
Deine Aufmerksamkeit muss dabei auf die Empfindung der sich ausdehnenden Kugel
gerichtet sein. Wenn du dies nicht erreichen kannst, solltest du aufhören und
es bei anderer Gelegenheit versuchen. Auch wenn du das Durchströmen der Kraft
nicht erzeugen kannst, wirst du in jedem Fall eine interessante Empfindung der
Ruhe erleben.
5. Wenn du aber weitergegangen
bist, wirst du beginnen, das Durchströmen zu erleben. Von deinen Händen und
anderen Bereichen deines Körpers wird dich ein Tonus erreichen, der sich von
der gewohnten Empfindung unterscheidet. Später wirst du zunehmende
Wellenbewegungen wahrnehmen und bald schon werden kraftvoll Bilder und Gefühle
aufkommen. Dann lass zu, dass sich das Durchströmen erzeugt…
6. Während du die Kraft
empfängst, wirst du je nach deiner eigenen gewohnten Vorstellungsweise Licht
oder fremde Klänge wahrnehmen. Wichtig ist auf jeden Fall die Erfahrung der
Erweiterung des Bewusstseins. Eines der Anzeichen dafür ist eine größere
Klarheit und die Bereitschaft zu verstehen, was geschieht.
7. Solltest du es wünschen,
kannst du diesen besonderen Zustand beenden (falls er sich nicht schon vorher
einfach im Verlauf aufgelöst hat). Dazu stellst du dir vor oder fühlst, dass
sich die Kugel zusammenzieht und sich auf demselben Weg von dir entfernt, wie
sie zu Beginn gekommen ist.
8. Es ist interessant zu
verstehen, dass zahlreiche veränderte Bewusstseinszustände fast immer durch
ähnliche wie die eben beschriebenen Mechanismen erreicht werden und wurden,
selbstverständlich gekleidet in seltsame Rituale oder durch Praktiken
verstärkt, die zu körperlicher Erschöpfung führen, durch ungebändigte Bewegungen,
durch ständige Wiederholung bestimmter Abläufe oder gewisser körperlicher
Haltungen. In allen diesen Fällen wird die Atmung anormal verändert und die
allgemeine Empfindung des Körperinneren verzerrt. Zu diesem Feld solltest du
auch die Hypnose, mediale Trance und die Wirkung von Drogen zählen, wobei diese
auf anderen Wegen ähnliche Veränderungen erzeugen. Und gewiss tragen alle
erwähnten Fälle das Merkmal der Nicht-Kontrolle und des Nicht-Erkennens dessen,
was vor sich geht. Misstraue solchen Erscheinungen und betrachte sie als
einfache “Trance”, wie sie der Legende nach Unwissende, Experimentatoren und
sogar “Heilige” erlebt haben.
9. Selbst wenn du bei dieser
Arbeit alle Empfehlungen sorgfältig beachtet hast, kann es geschehen, dass du
das Durchströmen nicht bewirken konntest. Das sollte keine Quelle der Besorgnis
sein, sondern vielmehr ein Zeichen für einen Mangel an innerer “Gelöstheit”. Dies
könnte übermäßige Verspannung, Probleme mit der Beweglichkeit der Bilder und zusammengefasst eine Zersplitterung des
gefühlsmäßigen Verhaltens widerspiegeln – was wiederum auch in deinem täglichen
Leben gegenwärtig sein wird.
XVI.
PROJEKTION DER KRAFT
1. Wenn du das Durchströmen
der Kraft erlebt hast, wirst du verstehen können, wie verschiedene Völker auf
der Grundlage ähnlicher Phänomene –ohne sie jedoch annähernd zu verstehen –
Riten und Kulte entwickelten, die sich später endlos vervielfachten. Durch
Erfahrungen wie die vorher beschriebenen spürten viele Menschen ihre Körper „verdoppelt“.
Die Erfahrung der Kraft gab ihnen das Gefühl, diese Energie nach außen projizieren
zu können.
2. Die Kraft wurde sowohl auf
andere Menschen als auch auf bestimmte Gegenstände “projiziert”, die besonders
“geeignet” waren, die Kraft aufzunehmen und zu bewahren. Ich vertraue darauf,
dass es dir nicht schwer fallen wird, die Funktion gewisser Sakramente in
verschiedenen Religionen zu begreifen, ebenso wie die Bedeutung von heiligen Orten
und angeblich mit Kraft „aufgeladenen“ Priestern. Wenn in den Tempeln bestimmte
Gegenstände gläubig verehrt wurden und man sie mit Zeremonien und Riten
umhüllte, “gaben” sie die Energie, die sich in wiederholten Gebeten angesammelt
hatte, sicherlich an die Gläubigen “zurück”. Indem man diese Dinge fast immer
durch äußere Erklärungen der jeweiligen Kultur, des Raums, der Geschichte und
der Tradition entsprechend interpretiert hat, wurde die Kenntnis der
menschlichen Wirklichkeit beschränkt, während die grundlegende innere Erfahrung
doch ein wesentlicher Anhaltspunkt ist, um all dies zu verstehen.
3. Dieses “Projizieren”,
“Aufladen” und “Zurückgeben” der Kraft wird uns später noch beschäftigen. Aber
ich sage dir schon jetzt, derselbe Mechanismus wirkt immer noch, sogar in desakralisierten
Gesellschaften, in denen die Führer und angesehenen Leute für diejenigen, die
sie sehen, von einer besonderen Aura umgeben sind, was bis hin zu dem Wunsch
führt, sie zu “berühren” oder sich eines Teils ihrer Kleidung oder ihrer Dinge zu
bemächtigen.
4. Denn jede Vorstellung des
“Hohen” befindet sich oberhalb der normalen Blickrichtung des Auges. Und “hochgestellt”
sind die Persönlichkeiten, welche Güte, Weisheit und Kraft “besitzen”. Und “hoch
oben” befinden sich die Hierarchien und die Macht und die Fahnen und der Staat.
Und wir gewöhnlichen Sterblichen müssen auf der Gesellschaftsleiter
„aufsteigen” und uns der Macht um jeden Preis nähern. Wie schlecht steht es um
uns, immer noch gesteuert von diesen der inneren Vorstellung entsprechenden Mechanismen, mit unserem Kopf in der „Höhe“ und mit
unseren Füssen auf der Erde. Wie schlecht steht es um uns, wenn wir an diese
Dinge glauben (und wir glauben daran, weil sie ihre “Wirklichkeit” in der
inneren Vorstellung haben). Wie schlecht steht es um uns, wenn unser äußerer
Blick nichts anderes ist als die unbemerkte Projektion unseres inneren Blicks.
XVII.
VERLUST UND UNTERDRÜCKUNG DER KRAFT
1. Die stärksten
Energieentladungen werden durch unkontrollierte Handlungen hervorgerufen. Dazu
gehören: ungezügelte Vorstellung, grenzenlose Neugierde, maßloses Geschwätz,
übermäßige Sexualität und übertriebene Wahrnehmung (maß- und zielloses Sehen,
Hören, Schmecken usw.). Doch du solltest auch erkennen, dass viele Menschen auf
diese Weise ihre Spannungen entladen, die sonst schmerzhaft wären. Wenn du das bedenkst
und die Funktion dieser Entladungen erkennst, wirst du mit mir übereinstimmen,
dass es nicht sinnvoll ist, sie zu unterdrücken. Es geht vielmehr darum, sie zu
ordnen.
2.
In Bezug auf die Sexualität
solltest du Folgendes richtig verstehen: Diese Funktion darf nicht unterdrückt
werden, da das sonst quälende Auswirkungen hat und zu innerem Widerspruch führt.
Die Sexualität richtet sich auf ihren Akt und endet mit ihm. Aber es ist nicht
ratsam, dass sie die Vorstellungskraft darüber hinaus beschäftigt oder zur
zwanghaften Suche nach einem neuen Objekt der Begierde führt.
3. Die Kontrolle der
Sexualität durch eine bestimmte gesellschaftliche oder religiöse “Moral” diente
Zwecken, die nichts mit der menschlichen Entwicklung, sondern eher mit dem
Gegenteil zu tun hatten.
4. In den unterdrückten Gesellschaften
floss die Kraft (die Energie der Vorstellung der innerkörperlichen
Empfindungen) ins Dämmerhafte, und so häuften sich hier die Fälle von
“Besessenen”, von “Hexenmeistern”, Frevlern und Verbrechern aller Art, die sich
am Leiden und an der Zerstörung des Lebens und der Schönheit ergötzten. In
einigen Stämmen und Zivilisationen standen die Verbrecher sowohl auf der Seite
der Ankläger als auch der Angeklagten. In anderen Fällen wurde alles verfolgt,
was Wissenschaft und Fortschritt war, da sich diese dem Irrationalen, dem
Dämmerhaften und der Unterdrückung widersetzten.
5.
Die Unterdrückung der Sexualität
findet man auch heute noch bei gewissen Urvölkern genauso wie in einigen so
genannten “fortschrittlichen Zivilisationen”. Obwohl die Ursache hierfür in
beiden Fällen unterschiedlich ist, ist die zerstörerische Wirkung bei beiden
doch erheblich.
6.
Wenn du mich um weitere
Erläuterungen bittest, werde ich dir sagen, dass die Sexualität in Wirklichkeit
heilig ist, ja das Zentrum darstellt, aus dem das Leben und alles Schöpferische
entspringen. Ebenso entspringt aber auch jede Form der Zerstörung aus ihr, wenn
sie nicht reibungslos funktioniert.
7. Glaube niemals den Lügen
derer, die das Leben mit ihrer Behauptung vergiften, Sexualität sei etwas
Verwerfliches. Ganz im Gegenteil, es liegt Schönheit in ihr und nicht umsonst
ist sie mit den besten Gefühlen der Liebe verbunden.
8. Gehe daher sorgfältig mit
ihr um, und betrachte sie als ein großes Wunder, das mit Zartgefühl zu
behandeln ist, ohne sie in eine Quelle von Widerspruch oder Zerstörung der
Lebensenergie zu verwandeln.
XVIII.
WIRKUNG UND RÜCKWIRKUNG DER KRAFT
Weiter
vorne habe ich dir erläutert: “Wann immer du eine große Kraft, Freude und Güte
in deinem Herzen empfindest oder wann immer du dich frei und ohne Widersprüche
fühlst, danke sogleich in deinem Inneren dafür.”
1.
“Dankbar zu sein” bedeutet,
die positiven, in einem Bild, einer Vorstellung verbundenen Gemütszustände zu sammeln.
Dieser so verbundene positive Zustand erlaubt es, dass in ungünstigen
Situationen durch das Wachrufen einer Sache jener Zustand wieder auftaucht, der
sie in früheren Momenten begleitete. Da diese geistige “Ladung” außerdem durch
vorangegangene Wiederholungen verstärkt sein kann, ist sie in der Lage, unter
bestimmten Umständen auftretende negative Gefühle zu ersetzen.
2. Aus all diesen Gründen wird
das, worum du bittest, zu deinen Gunsten verstärkt aus deinem Inneren
zurückkommen, vorausgesetzt, du hast zahlreiche positive Zustände in dir
gespeichert. Ich brauche nicht mehr zu wiederholen, dass dieser Mechanismus verworrener
Weise dazu diente, Gegenstände oder Personen oder auch innere Wesen, die in die
Welt „projiziert“ wurden, “außerhalb aufzuladen”, im Glauben sie würden Rufe
und Bitten erhören.
XIX.
DIE INNEREN ZUSTÄNDE
Nun solltest du eine ausreichende Wahrnehmung der inneren Zustände haben,
in denen du dich im Laufe deines Lebens wiederfinden kannst, die dir aber vor
allem in deiner Entwicklungsarbeit begegnen. Ich kann sie nicht anders als
durch Bilder (in diesem Fall Allegorien) beschreiben. Es scheint mir, sie
besitzen die Fähigkeit, komplexe Gemütszustände “anschaulich” zu verdichten. Das
ungewohnte Vorgehen, diese Zustände so zu verketten, als seien sie verschiedene
Momente ein und desselben Prozesses, bringt eine andere Sicht auf all die
bruchstückhaften Beschreibungen, an die uns diejenigen gewöhnt haben, die sich
mit diesen Dingen beschäftigen.
1. Der erste Zustand, in dem
die Sinn-Leere vorherrscht (die wir zu Beginn dieser Schrift erwähnt haben),
wird “diffuser Lebenstrieb” genannt. Alles richtet sich nach den körperlichen
Bedürfnissen, die aber häufig mit widersprüchlichen Wünschen und Bildern
verwechselt werden. Dort liegen die Beweggründe und alles, was getan wird, im
Dunkeln. In diesem Zustand vegetiert man zwischen wechselnden Formen verloren
dahin. Von hier aus kann man sich nur auf zwei Wegen weiter entwickeln: dem Weg
des Todes oder dem der Mutation.
2. Der Weg des Todes führt
dich in die Gegenwart einer dunklen und chaotischen Landschaft. Die alten
Völker kannten diesen Durchgang, und fast immer verlegten sie ihn “unter die
Erde” oder in abgründige Tiefen. Manche besuchten dieses Reich auch, um später
auf lichtvollen Ebenen wieder “aufzuerstehen”. Verstehe gut, dass “unterhalb”
des Todes der diffuse Lebenstrieb herrscht. Vielleicht bringt der menschliche
Geist die Auflösung durch den Tod mit späteren Umwandlungserscheinungen in
Zusammenhang, und vielleicht verbindet er auch die diffuse Bewegung mit der
Phase vor der Geburt. Wenn du der Richtung des Aufstiegs folgst, bedeutet der
“Tod” für dich einen Bruch mit deiner vorhergehenden Etappe. Auf dem Weg des
Todes steigt man zu einem anderen Zustand auf.
3. Erreicht man ihn, gelangt
man zur Zufluchtsstätte der Rückkehr. Hier öffnen sich zwei Wege: der Weg der
Reue und jener andere, der zum Aufstieg gedient hat, das heißt der Weg des
Todes. Wenn du den ersten nimmst, dann, weil deine Entscheidung dazu neigt, mit
deinem vergangenen Leben zu brechen. Wenn du auf dem Weg des Todes
zurückkehrst, fällst du mit der Empfindung eines geschlossenen Kreises in die
Abgründe zurück.
4. Nun gut, ich habe dir
gesagt, dass es noch einen anderen Pfad gäbe, dem abgründigen Lebenstrieb zu
entfliehen, nämlich den Weg der Mutation. Wenn du diesen Weg wählst, möchtest
du aus deinem leidvollen Zustand herauskommen, bist jedoch nicht bereit, einige
seiner scheinbaren Vorteile aufzugeben. Dies ist folglich ein falscher Weg,
bekannt als der Weg der „verkehrten Hand“. Viele Ungeheuer sind aus den Tiefen
dieses gewundenen Ganges hervorgekommen. Sie wollten den Himmel im Sturm
nehmen, ohne die Hölle aufzugeben, und haben deshalb unendlichen Widerspruch in
die dazwischen liegende Welt gebracht.
5.
Ich nehme an, dass du durch
den Aufstieg vom Reich des Todes und durch bewusste Reue schon in der
Wohnstätte der Neigung angelangt bist. Zwei dünne Träger stützen deine Wohnstätte,
das Bewahren und das Scheitern. Das Bewahren ist falsch und unbeständig. Wenn
du diesen Weg gehst, täuschst du dich mit der Illusion der Beständigkeit, aber
in Wirklichkeit fällst du rasch hinab. Wenn du den Weg des Scheiterns nimmst,
wird dein Aufstieg zwar mühevoll, aber der einzig-nicht-falsche sein.
6. Von Fehlschlag zu
Fehlschlag kannst du zur nächsten Raststätte gelangen, die “Wohnstätte der
Abzweigung” heißt. Achte auf die zwei Wege, die du jetzt vor dir hast. Entweder
du nimmst den Weg der Entschlossenheit, der dich zur Erzeugung führt, oder du
nimmst den Weg des Ressentiments, der dich aufs Neue zur Rückkehr hinabsteigen
lässt. Hier bist du vor folgendes Dilemma gestellt: Entweder du entscheidest
dich für das Labyrinth des bewussten Lebens (und tust es mit Entschlossenheit),
oder du kehrst voller Ressentiment zu deinem früheren Leben zurück. Zahlreich
sind diejenigen, denen es nicht gelungen ist, sich zu überwinden, und die hier
ihre Möglichkeiten abschneiden.
7.
Aber du, der du mit
Entschlossenheit aufgestiegen bist, erreichst nun die Herberge, die als
“Erzeugung” bekannt ist. Hier findest du drei Türen: Eine heißt “Sturz”, die
andere “Versuch” und die dritte “Abwertung”. Der Sturz trägt dich geradewegs in
die Tiefen, und nur ein äußeres Unglück kann dich in diese Richtung
hinabstoßen. Diese Tür wirst du kaum wählen. Diejenige der Abwertung dagegen
führt dich indirekt in die Abgründe, indem sie dich die Wege auf einer Art
wirbelnder Spirale zurückführt, in der du ununterbrochen überlegst, was du alles
verloren und was du alles geopfert hast. Diese Gewissensprüfung, die zur
Abwertung führt, ist aber gewiss eine falsche Prüfung, in der du einige Dinge,
die du vergleichst, unterschätzt und so in ein Missverhältnis bringst. Du
vergleichst die Anstrengungen des Aufstiegs mit den “Vorteilen”, die du
aufgegeben hast. Aber wenn du näher hinschaust, wirst du erkennen, dass du
nichts deswegen aufgegeben hast, sondern die Beweggründe waren andere. Die
Abwertung beginnt also dann, wenn man die Beweggründe verfälscht, die mit dem
Aufstieg scheinbar nichts zu tun hatten. Ich frage jetzt: Wodurch wird der
Geist verraten? Vielleicht durch die falschen Beweggründe der anfänglichen
Begeisterung? Vielleicht durch die Schwierigkeit des Unterfangens? Vielleicht
durch die falsche Erinnerung an Opfer, die es nicht gab oder die aus anderen
Gründen gebracht wurden? Ich spreche jetzt zu dir und frage dich: Dein Haus
stand schon lange in Flammen. Deshalb hattest du dich für den Aufstieg
entschieden. Oder denkst du jetzt, dass dein Haus durch den Aufstieg in Flammen
geriet? Hast du vielleicht einmal geschaut, was mit den umliegenden Häusern
geschehen ist? … Es gibt keinen Zweifel, du musst die mittlere Tür wählen.
8. Steige die Sprossen des
Versuchs empor, und du wirst zu einer instabilen Kuppel gelangen. Bewege dich
von hier aus durch einen engen und gewundenen Gang fort, den du als
“Unbeständigkeit” erkennen wirst, bis du zu einem weiten und leeren Raum (einer
Plattform ähnlich) gelangst, der den Namen “offener-Raum-der-Energie” trägt.
9.
Es kann sein, dass du in
diesem Raum vor der öden und unermesslichen Landschaft und vor der
angsteinflößenden Stille dieser von riesigen, unbeweglichen Sternen verklärten
Nacht erschrickst. Hier, genau über deinem Haupt, wirst du ans Firmament geheftet
die vieldeutige Gestalt des Schwarzen Mondes erblicken... eines seltsamen,
verfinsterten Mondes, der der Sonne genau gegenüber steht. Hier musst du auf
den Tagesanbruch warten, in Geduld und Glauben, denn nichts Schlimmes kann
geschehen, wenn du ruhig bleibst.
10.
Es könnte sein, dass du dir
in dieser Situation einen schnellen Ausweg verschaffen möchtest. Wenn das
geschieht, wirst du im Dunkeln irgendwohin tappen anstatt klugerweise auf den
Tag zu warten. Du musst dich erinnern, dass hier (in der Dunkelheit) jede
Bewegung falsch ist und allgemein “Improvisation” genannt wird. Wenn du
vergisst, was ich dir jetzt sage, und Bewegungen zu improvisieren beginnst,
dann sei sicher, dass du von einem Wirbelwind über alle Pfade und Stätten
zurück in die finsterste Tiefe der Auflösung geschleudert wirst.
11.
Wie schwer ist es zu
verstehen, dass die inneren Zustände miteinander verkettet sind! Wenn du sehen
würdest, welch unbeugsame Logik das Bewusstsein hat, würdest du erkennen, dass derjenige,
welcher in einer Situation wie der beschriebenen blind improvisiert,
verhängnisvollerweise abzuwerten beginnt, auch sich selbst. Danach tauchen
Gefühle der Frustration in ihm auf, und er verfällt bald dem Ressentiment und
dem Tod, bis alles, was er an manchen Tagen wahrnehmen konnte, schließlich dem
Vergessen anheimfällt.
12.
Wenn es dir gelingt, an dem
weiten Platz den Tag zu erleben, wird die strahlende Sonne vor deinen Augen
aufgehen und dir die Wirklichkeit zum ersten Mal erhellen. Dann wirst du
erkennen, dass in allem Existierenden ein Plan lebt.
13.
Von hier wirst du kaum
herabfallen, es sei denn, du möchtest freiwillig in dunklere Bereiche
hinabsteigen, um das Licht in die Finsternis zu tragen.
Es hat
keinen Wert, diese Themen weiter zu entwickeln, denn ohne die entsprechenden
Erfahrungen führen sie in die Irre und verlagern das Machbare in den Bereich
des Vorgestellten. Möge das bis hierher Gesagte dienlich sein. Wenn dir diese Erklärungen
nicht nützlich erscheinen, was könntest du dagegen einwenden, hat doch für den
Skeptizismus - der dem Bild in einem Spiegel, dem Klang eines Echos, dem
Schatten eines Schattens gleicht - nichts ein Fundament und nichts einen Grund.
XX.
DIE INNERE WIRKLICHKEIT
1. Vergegenwärtige dir meine
Betrachtungen. In ihnen sollst du nichts anderes als allegorische Erscheinungen
und Landschaften der äußeren Welt intuitiv erfassen. Doch es gibt in ihnen auch
wirkliche Beschreibungen der geistigen Welt.
2.
Genauso wenig solltest du
glauben, dass die “Orte”, die du auf deiner Reise durchläufst, irgendeine Art von
unabhängigem Dasein führen würden. Solch eine Verwechslung hat oft tiefe Lehren
verdunkelt, und noch heute glauben manche Menschen daran, dass Himmel, Hölle,
Engel, Dämonen, Ungeheuer, verwunschene Schlösser, ferne Städte und dergleichen
eine sichtbare Wirklichkeit für die “Erleuchteten” darstellten. Im selben
Vorurteil, jedoch im umgekehrten Sinne, waren Skeptiker gefangen, die fern
der Weisheit diese Dinge schlichtweg für
Illusionen oder Halluzinationen fiebriger Gehirne hielten.
3. Ich muss also wiederholen,
dass du bei allem Gesagten Folgendes verstehen musst: Es handelt sich um
wirkliche geistige Zustände, auch wenn sie durch Gegenstände der äußeren Welt
symbolisiert wurden.
4. Denke gut über das Gesagte
nach und lerne, die Wahrheit hinter den Allegorien zu entdecken. Diese können
zwar zuweilen den Geist ablenken, doch übersetzen sie bei anderen Gelegenheiten
Wirklichkeiten, die ohne Vorstellung unbegreiflich blieben.
Wann immer die Rede von den Städten der Götter war, zu denen zahlreiche
Helden verschiedenster Völker gelangen wollten, wann immer die Rede von
Paradiesen war, in denen Götter und Menschen in ihrer ursprünglichen,
verklärten Natur zusammenlebten, wann immer die Rede von Stürzen und Sintfluten
war, wurde eine große innere Wahrheit ausgesprochen.
Später brachten uns die Erlöser ihre Botschaften und kamen zu uns in ihrer
Doppelnatur, um die verlorene und lang ersehnte Einheit wieder herzustellen.
Auch da wurde eine große innere Wahrheit ausgesprochen.
Wenn aber über all das gesprochen wurde und man es außerhalb des Geistes
ansiedelte, dann irrte man sich oder hat gelogen.
Und wenn umgekehrt die äußere Welt mit dem inneren Blick verwechselt wird,
zwingt sie ihn, neue Wege zu beschreiten.
Und so fliegt heute der Held dieses Zeitalters zu den Sternen.
Er fliegt durch Gegenden, die vorher unbekannt waren. Er fliegt aus seiner Welt
hinaus, und wird, ohne es zu wissen, zum inneren und leuchtenden Zentrum hin
getrieben.
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